Inhalt

Gekürzter Bericht über Bauuntersuchungen
am Schloss Sargans 1969–2001.

Falls Sie Anmerkungen vermissen:
Anfragen betreffend Quellen oder
Literatur-Hinweisen beantworte ich gerne.

Samstag, 11. August 2007

Bergfried, Äusseres




Der gut 30 m hohe Bergfried erhebt sich an der höchsten Stelle der steil abfallenden Südflanke des Felssporns (im Verlies gemessen: 551.45 m ü. M.). Sein leicht trapezoider Rechteckgrundriss misst am Fuss 9.10x13.28 m. Von blossem Auge kaum wahrnehmbar, verjüngt sich der Turm bis zu seiner Traufhöhe auf 8.54x12.80 m.

An seinem Äusseren lassen sich vier Mauerwerkszonen unterscheiden:

1. Mauerwerk aus Feld- und Bruchsteinen, Phase I
Unmittelbar auf dem nackten Fels setzt ein Mauerwerk aus Feld- und Bruchsteinen an. An der Süd- und Nordseite bildet diese Sockelzone bei etwa 551.55 m ü.M. einen horizontalen Abschluss. Mindestens auf der Südseite ist dieses Mauerwerk älter als das darüber ansetzende Tuffquaderwerk IIa. Diese Abfolge ergibt sich im Zusammenhang mit Mauern im Innern. Auch an den anderen Seiten dürften sich Partien des Vorgängerbaues erhalten haben, an den beiden Giebelseiten sind sie wegen Anbauten oder Verputz nicht sichtbar; innen werden sie mit Ausnahme der Südmauer durch die breiteren Tuffquadermauern überlagert.

2. Tuffquadermauerwerk, Phase IIa
Über der Sockelzone setzt ein 11.90 m hohes Mauerwerk fort, das aus z.T. mächtigen gesägten Tuffquadern von bis zu 40–55x125 cm besteht. Die Mauern weisen nun unterschiedliche Stärken auf: im Süden entspricht sie der älteren Sockelzone (1.16 m), während sie auf den drei Angriffseiten bis zu 2.50 m betragen. Die Quader sind in nahezu horizontalen Lagen satt aneinandergefügt, so dass die Fugenstärke nur etwa 1.5 cm beträgt. Es handelt sich wohl um ein Zweischalenmauerwerk wie bei der gleichzeitig errichteten Ringmauer, wo bei einem Teileinsturz ein lagenweise gegossener Mauerkern aus Kieselbollen zum Vorschein kam.

Eingestürzte Ringmauer 1918. Archivaufnahme. Deutlich erkennbar ist der lagenweise gegossene Mauerkern, welcher hinter den abgestürzten Tuffquadern zum Vorschein kam.


Kraggebälk zu einer «Hurde» (Wehrgang):
Über der obersten Tuffquaderlage stecken abgesägte ehemalige Kragbalken im Mauerwerk. Auf der West, Nord- und Ostseite sind die Kragbalken im Abstand von etwa 90–100 cm gelegt. Ihr Querschnitt beträgt durchschnittlich 19x29 cm. Auf der Südseite zeigten sich in fast doppelt so grossem Abstand lediglich vier Balkenköpfe. In der Ost- und Westmauer liegt jeweils nur der mittlere Balken rechtwinklig zur Mauer, die übrigen sind gegen die Ecksticher gefächert verlegt. Vergleichsbeispiele finden wir in Gottlieben TG, Clugin GR (Wehrgang an der Ruine Cagliatscha, dendrodatiert 1265) und Schloss Wartensee, Rorschacherberg SG (Obergaden, dendrodatiert 1243). Die auskragenden Balken wurden durch Bughölzer gestützt, die auf schräg in die Tuffquader gehauenen Auflagern ruhten (vier an der Nordwand, je drei an den beiden Schmalseiten, sowie in jeder Ecke eines). Eine Überdachung des Wehrganges konnte nicht nachgewiesen werden; lediglich über den Zugangspforten waren je zwei Balkenlöcher vorhanden, die von einzelnen Schutzdächlein stammen könnten. Die Kragbalken wurden vermutlich anfangs des 17. Jahrhunderts mauerbündig abgesägt, als der Turm und das ganze Schloss einen neuen Verputz erhielt.
Kragbalkenlage im Schloss Gottlieben, erb. 1251, nach Piper, Burgenlexikon.


Schloss Wartensee, Kragbalken für den Obergaden, dendrodatiert 1243.

3. Pietra-rasa Mauerwerk, Phase IIb
Über dem 2. Stockwerk setzt ein Pietra-rasa Mauerwerk an. Seine Stärke beträgt hier nur noch 97–120 cm. Mauermörtel und Verputz sind wie jene der unteren Zonen von auffällig bräunlicher Farbe und lassen sich auch in ihrer Zusammensetzung nicht voneinander unterscheiden. Der Verputz des Tuffmauerwerks zog auch nahtlos über die Grenze zwischen IIa und IIb. Da überdies an den Quadern keine Verwitterungsspuren festzustellen waren, wird man annehmen müssen, dass beide Mauerabschnitte zur selben Bauphase gehören und dass der Turm immer verputzt war.
Den Lagerfugen entlang wurden in den noch nassen Verputz horizontale Kellenstriche gezogen, die nachher mit roter Farbe gefasst wurden. Diese Mauertechnik war im 13. Jahrhundert im Alpenraum verbreitet, wir finden sie auch an den ältesten Gebäudeteilen der Ruine Gräpplang (dendrodatiert 1203/1207, Kellenstriche stellenweise ebenfalls rot gefasst). Mauerkanten, Fenster- und Türgewände sind aus Tuff. An einigen Fenstergewänden der Südwand haftete noch der ursprüngliche bräunliche Verputz mit Spuren einer etwa 10 cm breiten, rot gemalten Einfassung.
Das Pietra-rasa Mauerwerk endet horizontal auf der Höhe der beiden liegenden Scharten (Südfassade). Der Verputz zieht nach innen und weist eine deutliche Brandrötung auf. Hier muss ein Dach oder ein hölzerner Aufbau durch Brand zerstört worden sein. Spuren dieses Brandes sind auch im Innern deutlich zu sehen.


Brandgeröteter horizontaler Abschluss des Pietra-rasa Mauerwerks.
Foto A. Hidber 1969.

4. Mischmauerwerk aus Bruchsteinen und Tuff mit Zinnenabschluss, Phase IIIa
Über der brandgeröteten Grenze setzt ein Mauerwerk aus Kieselbollen und Tuffbrocken an. Es reicht bis zur Traufe des bestehenden Daches hinauf und schliesst mit einem Zinnenkranz ab. Der Mauermörtel unterscheidet sich hier deutlich von jenem der unteren Geschosse. Er ist kiesig und von grau-bräunlicher Farbe. Wie beim Pietra-rasa Mauerwerk sind auch hier alle Mauerkanten mit Tuffquadern ausgebildet. Im Innern zeichnet sich ein flach geneigtes, Nord-Süd gerichtetes Satteldach ab, das vom Zinnenkranz überragt wurde. Das Dach selbst war, wie Negative im Mörtel an den Traufseiten zeigen, mit ca. 1cm dicken Holzschindeln gedeckt. Der Anschluss des Daches an die Umfassungsmauern wurde mit vorkragenden Platten aus rotem Tonschiefer («Melserplatten») vor Regenwasser geschützt. Es handelt sich nicht um ein Steinplattendach, wie bisher angenommen wurde.
An beiden Traufseiten finden sich quadratische Öffnungen, durch welche vermutlich das Regenwasser über Speier nach aussen abgeleitet wurde.
Der Zinnenabschluss war wohl mehr Statussymbol als wehrtechnisch bedingt: ein Wehrgang war nicht vorhanden und der Dachfirst überragte die Zinnenlücke sogar um einige cm. Hingegen bot der Mauermantel Schutz gegen Sturm und Wind, wie dies andernorts in zeitgenössischen Bauberichten ausdrücklich vermerkt wird: «dy maur am Haubsloss umb ain wenig höcher zu machen alain für dy Dächer, der windt last kains gantz» (Notiz auf einer Projektzeichnung von 1520 für das Schloss Tarasp).



In einer späteren Phase (IIIb) wurde das Satteldach durch ein Ost-West gerichtetes Taschendach ersetzt. Das Regenwasser floss nun über zwei ungleich nach innen geneigte Dachflächen in eine Mittelrinne, aus welcher es vielleicht in einen Sammelbehälter geleitet wurde. Im Unterschied zum älteren Satteldach wurden die Dach-Mauer-Anschlüsse diesmal nur mit einem Mörtelkragen abgedichtet, an deren Unterseiten sich ebenfalls Negative von dünnen Holzschindeln abzeichnen. Die Schindeln wiesen eine Stärke von 0.5–1 cm und eine Breite von 28–30 cm auf. Mindestens an der Nordseite, wo das Dach etwas höher hinaufreichte, waren die Zinnen nun geschlossen, denn der horizontale Mörtelkragen zieht hier über die Zinnen-Zumauerung. Dass die Nordzinnen nicht gleichzeitig mit den übrigen drei Seiten geschlossen wurden, zeigt sich auch im Unterschied des Mauermaterials, indem hier keine Hohlziegel als Füllmaterial verwendet wurden (das Dach hatte ja immer noch aus Schindeln bestanden!).

5. Walm- oder Satteldach über dem Zinnenkranz, Phase IV
Wohl im 14. Jahrhundert wurde auf den Zinnenkranz ein Dach aufgesetzt. Da an allen vier Turmecken Reste bzw. Negative von Traufpfetten-Eckverbindungen nachgewiesen werden konnten, scheint es sich um ein Walmdach gehandelt zu haben, von welchem sechs Sparrenpaare in die heute bestehende Konstruktion übernommen wurden. Sie weisen im oberen Drittel horizontale, leicht nach innen geneigte Einschnitte für ein Kehlgebälk auf, welches beim Einbau des jüngeren Stuhls entfernt werden musste. Das ältere Dach war demnach ein etwas steileres, pfettenloses Kehlbalkendach, wie wir es von zahlreichen Bauten des 13. und 14. Jahrhunderts kennen. Um 1472 wurde unter die alte Dachkonstruktion ein stehender Stuhl mit Pfetten- und Firstständer gestellt (die Bäume für diese Stützen wurden 1468/69 und 1471/72 gefällt).
Vermutlich erst in dieser Bauphase wurden die Zinnenlücken der West-, Süd- und Ostseite zugemauert.

6. Giebelmauern und Krüppelwalmdach, Phase V
Das Mauerwerk der beiden Giebelseiten besteht aus scharfkantigen Malmkalkbruchsteinen und ist identisch mit jenem der Palas-Erneuerung von 1506–10. Der Mauermörtel unterscheidet sich jedoch so deutlich, dass wir bei unseren Untersuchungen von 1969 eine Gleichzeitigkeit der beiden Bauteile ausgeschlossen hatten. Seit der Dendro-Untersuchung von 1998 wissen wir aber, dass die Eidgenossen nach der Übernahme des Schlosses 1483 zuerst an die Instandstellung des Turmes gingen. Sein Zustand dürfte besonders desolat gewesen sein, denn im Innern mussten sämtliche Balkenlagen fast vollständig erneuert werden. Begonnen wurde um 1491 mit der Reparatur des Daches (Schwellbalken über den Zinnen und einzelne Bundbalken), und mit dem Einzug neuer Balkenlagen dürften die Rohbauten 1505/06 ihren Abschluss gefunden haben. Erst danach wurde der Wiederaufbau des 1460 eingestürzten Palas (Baudaten 1506–1510) in Angriff genommen.
Formale Übereinstimmung mit dem Palas, Konstruktionsart und die Ergebnisse der Dendro-Untersuchung widerlegen die bisherige Datierung des Turmdaches in die Jahre 1607–08. Vermutlich blieben die Giebelmauern vorläufig unverputzt, bis das ganze Schloss – wohl 1608 unter Landvogt Martin Epp, von dem es heisst, er habe das «Schloss erneweren lassen» – einen weissen Verputz erhielt.

Keine Kommentare: