Inhalt

Gekürzter Bericht über Bauuntersuchungen
am Schloss Sargans 1969–2001.

Falls Sie Anmerkungen vermissen:
Anfragen betreffend Quellen oder
Literatur-Hinweisen beantworte ich gerne.

Sonntag, 19. August 2007

Dazwischen etwas anderes ...


Die Zahl Sieben im Palas von 1506/10
In der Bekrönung einer Türe in der spätgotischen Stube des Landvogts prangen sieben Wappenschilder (wahrscheinlich waren sie ursprünglich bemalt) der Sieben Alten Orte. Die Zahl 7 ist auch an zwei weiteren Türen zu finden: eine im selben Raum, mit merkwürdig gewellten Formen (mit Jahrzahl 1508), die im Kunstdenkmälerband SG I als Darstellung von Eichenlaub interpretiert werden. Färbt man die einzelnen Gebilde ein, entsteht eine Folge von Blüten in je zwei Reihen – und es ergeben sich 2x sieben Blüten. Die Supraporte der dritten Türe (1510) ist als Masswerk ausgebildet. Die Hauptform besteht aus zwei gespiegelten Kielbogen, woraus sieben Unterteilungen entstehen, welche mit Dreipässen bzw. einem Kreuz gefüllt sind.

Mittwoch, 15. August 2007

Bergfried, Inneres



Erdgeschoss, Verlies
Das Verlies war ursprünglich nur durch eine kleine Öffnung im Boden des Einganggeschosses zugänglich. Durch diese Luke drang auch das einzige Tageslicht in den Raum. Der heutige Zugang vom Palas zum Turm ist modern, ebenso die Treppe in den 1. Stock (beide 1964). Die Balken liegen – wohl aus taktischen Gründen – in West-Ost-Richtung, sie werden in der Mitte von einem Unterzug gestützt. Jeder zweite Balken sowie der Unterzug stammen von 1280/81, die restlichen Balken wurden anlässlich der Reparatur von 1505/06 eingezogen.

In der Südwestecke des Raumes stiess Probst «beim Graben von Furchen» auf Mauern eines parallel zum Bergfried orientierten Gebäudes.
Es handelt sich um Fundamente und aufgehendes Mauerwerk eines nur 2.43 m breiten Raumes, dessen Westerstreckung nicht fassbar ist, weil sie von der Westmauer des Bergfrieds verdeckt wird. Die Ost- und Nordmauern liegen frei, ihre Mauerstärke beträgt lediglich 52 cm. Das Gebäude war durch einen ebenerdigen Eingang von Osten her zugänglich. Probst hatte noch einen «betonirten Pflasterboden» vorgefunden, der auf gleichem Niveau wie die Eingangsschwelle in der Ostmauer lag.
Nachgrabungen 1964 durch Franziska Knoll und Hermann Obrecht 2005. (Siehe unter «Das Letzte zuerst»)

Probst berichtet auch von einer 8–10 cm dicken Brandschicht, die sich fast überall im Bergfried – auch über den älteren Mauern – verfolgen liess. Der bereits erwähnte Brand dürfte sich demnach bis ins Erdgeschoss ausgewirkt haben.

1. und 2. Obergeschoss
Die beiden Stockwerke erhalten nur spärliches Licht aus schmalen Schartenfenstern in der Südwand. Sowohl der Hocheingang an der Ostseite als auch der Abortausgang in der Südmauer des 1. Stockes sind ursprünglich.
Die Deckenbalken über dem 1. bis 5. OG liegen in Nord-Süd-Richtung. Vom Kraggebälk über dem 2. OG ist im Innern nichts zu sehen. Wahrscheinlich wurde es beim Brand um 1280 zerstört oder spätestens bei der Reparatur von 1505/06 entfernt, als man alle Böden vollständig erneuerte.

3. und 4. Obergeschoss
Über dem mit Tuffquadern errichteten Stockwerken sind die Mauern auf allen vier Seiten nur noch ca. 1 m stark. Dadurch werden die Räume weiter, hell und wohnlich: der Bergfried wird zum Wohnturm. Im 3. OG öffnen sich Pforten und Fenster nach allen vier Seiten: ein Doppel- und zwei Einzelfenster in der Südwand, zwei schmale Rundbogenfenster in der Nord- und eines in der Westwand. Auf der West-, Ost- und Nordseite führte je eine Türe auf den Wehrgang. Die West-Türe ist ganz an die Nordwest-Ecke gerückt und nördlich neben der Ost-Türe zeichnen sich Spuren einer steilen Treppe ab. Zwischen dem Doppelfenster und den beiden Einzelfenstern in der Südwand befand sich eine offene Feuerstelle mit Kaminabzug. Der Raum war früher unterteilt: an der Nordwand konnte Probst noch Spuren einer schmalen Trennwand erkennen, die im Süden genau mit der Westkante des Kamins zusammenfällt. Vermutlich war es eine Bohlen/Ständer-Konstruktion wie im Palas von 1506–10. Von einer weiteren Unterteilung in West-Ost-Richtung haben sich keine Spuren erhalten.

Sechs Balken über dem 3. OG datieren von 1280/81 (Da es sich um Lärchenholz handelt, das einen atypischen Wachstumsverlauf aufweist (Grenze der natürlichen Ausbreitung der Lärche), wird die Datierung mit Vorbehalt angegeben). Zum Teil handelt es sich um wiederverwendete Balken mit Ausnehmungen und stecken gebliebenen Holznägeln. An einem Balken in der Achse der Nordtüre sind noch Spuren einer Aufzugsspindel zu sehen. Sie dürfte zu einem Aufzugsgalgen gehört haben.

Alle übrigen Balken sowie die Bretterböden der oberen Geschosse stammen von der Instandstellung 1901–1906. E. Probst zeichnete in seinen Aufnahmeplänen nur noch wenige erhaltene Balken ein. Bereits 1885 bemerkte Salomon Voegelin in seiner Schlossbeschreibung, «vom dritten [Turm-] Stocke an fehlen die Böden, die Treppen dagegen sind bis zum Dachraume erhalten».

Auch der 4. Stock ist geräumig und hell. Der rot gefasste Kellenstrich, wie er an den Fassaden auftritt, ist auch hier im Innern erhalten geblieben. Die Brandspuren zeichnen sich hier noch deutlicher ab als an den Fassaden. Mit Ausnahme der Südmauer, wo der Verputz auf Kaminbreite unterbrochen ist, sind die Kellenstriche ohne Unterbruch durchgezogen. Offenbar war der Raum ursprünglich nicht unterteilt. Die farbige Behandlung der Wände hebt sich deutlich von den übrigen Räumen des Turmes ab. Es dürfte sich daher um einen Festsaal handeln (Feierte hier der berüchtigte Graf Rudolf II. 1323, als er den gekidnappten Bischof von Basel gegen Lösegeld wieder los war?).
Gegen Süden hatten ursprünglich drei Öffnungen bestanden: ein rundbogiges Türchen, welches zu einem Aborterker führte (nachträglich auf eine kleine quadratische Nische mit Schüttstein reduziert) sowie zwei schmale Rundbogenfenster. Je ein Fenster findet sich auch den andern Seiten, wobei das westliche möglicherweise nicht ursprünglich ist, denn der Kellenstrich-Putz ist unterbrochen und links neben der Leibung lässt ein schräg gezogener Kellenstrich auf eine steile Treppe schliessen, die hier in einen Obergaden oder Dachraum hinaufgeführt hatte.

Bei der Wiederherstellung nach dem Brand wurde der beschädigte Verputz nicht ausgebessert, weil der Saal vermutlich in niedrige Kemenaten oder Bohlenkammern unterteilt wurde (Dann müsste Rudolf II. seinen geglückten Coup in einem anderen Raum gefeiert haben ...). Wahrscheinlich weil der Verputz hinter der Bohlenwand nun geschützt war, ist er in diesem Zustand erhalten geblieben. Zwei liegende Scharten in der Südmauer, auf OK Pietra-rasa Mauerwerk, waren keine Schiessscharten, sondern Entlüftungsöffnungen zwischen Bohlendecke und Balkenlage. Solche Entlüftungsscharten kommen beispielsweise auch am Unterhof in Diessenhofen vor.

Südwand 5. OG. Der Wasserschlag aus Melserplatten zeichnet die Linie des Satteldaches. Darüber die vermauerten Zinnen. Auf der Höhe der Zinnensimse der helle Streifen des Mörtelkragens zum Taschendach. Foto A. Hidber 1992.


Nordostecke im 5. OG. Negativ der Traufpfette (Mitte), links daneben mit Ziegeln zugestopftes Negativ eines Wasserspeiers (?). Am Pfettennegativ sind die Abdrücke breiter Holzschindeln zu sehen. An der Nordwand als Wasserschlag eingemauerte Melserplatten (rechts oben). Foto A. Hidber 1992.

Das 5. OG war ursprünglich ein unbewohnbarer Dachraum. Hier sind die zugemauerten Zinnen und die Spuren eines Sattel- und eines Taschendaches zu sehen. An der Südwand zeichnet sich der Kaminzug als dunkler russiger Streifen ab.
Beschreibung der Dächer siehe unter «Bergfried, Äusseres».

Samstag, 11. August 2007

Bergfried, Äusseres




Der gut 30 m hohe Bergfried erhebt sich an der höchsten Stelle der steil abfallenden Südflanke des Felssporns (im Verlies gemessen: 551.45 m ü. M.). Sein leicht trapezoider Rechteckgrundriss misst am Fuss 9.10x13.28 m. Von blossem Auge kaum wahrnehmbar, verjüngt sich der Turm bis zu seiner Traufhöhe auf 8.54x12.80 m.

An seinem Äusseren lassen sich vier Mauerwerkszonen unterscheiden:

1. Mauerwerk aus Feld- und Bruchsteinen, Phase I
Unmittelbar auf dem nackten Fels setzt ein Mauerwerk aus Feld- und Bruchsteinen an. An der Süd- und Nordseite bildet diese Sockelzone bei etwa 551.55 m ü.M. einen horizontalen Abschluss. Mindestens auf der Südseite ist dieses Mauerwerk älter als das darüber ansetzende Tuffquaderwerk IIa. Diese Abfolge ergibt sich im Zusammenhang mit Mauern im Innern. Auch an den anderen Seiten dürften sich Partien des Vorgängerbaues erhalten haben, an den beiden Giebelseiten sind sie wegen Anbauten oder Verputz nicht sichtbar; innen werden sie mit Ausnahme der Südmauer durch die breiteren Tuffquadermauern überlagert.

2. Tuffquadermauerwerk, Phase IIa
Über der Sockelzone setzt ein 11.90 m hohes Mauerwerk fort, das aus z.T. mächtigen gesägten Tuffquadern von bis zu 40–55x125 cm besteht. Die Mauern weisen nun unterschiedliche Stärken auf: im Süden entspricht sie der älteren Sockelzone (1.16 m), während sie auf den drei Angriffseiten bis zu 2.50 m betragen. Die Quader sind in nahezu horizontalen Lagen satt aneinandergefügt, so dass die Fugenstärke nur etwa 1.5 cm beträgt. Es handelt sich wohl um ein Zweischalenmauerwerk wie bei der gleichzeitig errichteten Ringmauer, wo bei einem Teileinsturz ein lagenweise gegossener Mauerkern aus Kieselbollen zum Vorschein kam.

Eingestürzte Ringmauer 1918. Archivaufnahme. Deutlich erkennbar ist der lagenweise gegossene Mauerkern, welcher hinter den abgestürzten Tuffquadern zum Vorschein kam.


Kraggebälk zu einer «Hurde» (Wehrgang):
Über der obersten Tuffquaderlage stecken abgesägte ehemalige Kragbalken im Mauerwerk. Auf der West, Nord- und Ostseite sind die Kragbalken im Abstand von etwa 90–100 cm gelegt. Ihr Querschnitt beträgt durchschnittlich 19x29 cm. Auf der Südseite zeigten sich in fast doppelt so grossem Abstand lediglich vier Balkenköpfe. In der Ost- und Westmauer liegt jeweils nur der mittlere Balken rechtwinklig zur Mauer, die übrigen sind gegen die Ecksticher gefächert verlegt. Vergleichsbeispiele finden wir in Gottlieben TG, Clugin GR (Wehrgang an der Ruine Cagliatscha, dendrodatiert 1265) und Schloss Wartensee, Rorschacherberg SG (Obergaden, dendrodatiert 1243). Die auskragenden Balken wurden durch Bughölzer gestützt, die auf schräg in die Tuffquader gehauenen Auflagern ruhten (vier an der Nordwand, je drei an den beiden Schmalseiten, sowie in jeder Ecke eines). Eine Überdachung des Wehrganges konnte nicht nachgewiesen werden; lediglich über den Zugangspforten waren je zwei Balkenlöcher vorhanden, die von einzelnen Schutzdächlein stammen könnten. Die Kragbalken wurden vermutlich anfangs des 17. Jahrhunderts mauerbündig abgesägt, als der Turm und das ganze Schloss einen neuen Verputz erhielt.
Kragbalkenlage im Schloss Gottlieben, erb. 1251, nach Piper, Burgenlexikon.


Schloss Wartensee, Kragbalken für den Obergaden, dendrodatiert 1243.

3. Pietra-rasa Mauerwerk, Phase IIb
Über dem 2. Stockwerk setzt ein Pietra-rasa Mauerwerk an. Seine Stärke beträgt hier nur noch 97–120 cm. Mauermörtel und Verputz sind wie jene der unteren Zonen von auffällig bräunlicher Farbe und lassen sich auch in ihrer Zusammensetzung nicht voneinander unterscheiden. Der Verputz des Tuffmauerwerks zog auch nahtlos über die Grenze zwischen IIa und IIb. Da überdies an den Quadern keine Verwitterungsspuren festzustellen waren, wird man annehmen müssen, dass beide Mauerabschnitte zur selben Bauphase gehören und dass der Turm immer verputzt war.
Den Lagerfugen entlang wurden in den noch nassen Verputz horizontale Kellenstriche gezogen, die nachher mit roter Farbe gefasst wurden. Diese Mauertechnik war im 13. Jahrhundert im Alpenraum verbreitet, wir finden sie auch an den ältesten Gebäudeteilen der Ruine Gräpplang (dendrodatiert 1203/1207, Kellenstriche stellenweise ebenfalls rot gefasst). Mauerkanten, Fenster- und Türgewände sind aus Tuff. An einigen Fenstergewänden der Südwand haftete noch der ursprüngliche bräunliche Verputz mit Spuren einer etwa 10 cm breiten, rot gemalten Einfassung.
Das Pietra-rasa Mauerwerk endet horizontal auf der Höhe der beiden liegenden Scharten (Südfassade). Der Verputz zieht nach innen und weist eine deutliche Brandrötung auf. Hier muss ein Dach oder ein hölzerner Aufbau durch Brand zerstört worden sein. Spuren dieses Brandes sind auch im Innern deutlich zu sehen.


Brandgeröteter horizontaler Abschluss des Pietra-rasa Mauerwerks.
Foto A. Hidber 1969.

4. Mischmauerwerk aus Bruchsteinen und Tuff mit Zinnenabschluss, Phase IIIa
Über der brandgeröteten Grenze setzt ein Mauerwerk aus Kieselbollen und Tuffbrocken an. Es reicht bis zur Traufe des bestehenden Daches hinauf und schliesst mit einem Zinnenkranz ab. Der Mauermörtel unterscheidet sich hier deutlich von jenem der unteren Geschosse. Er ist kiesig und von grau-bräunlicher Farbe. Wie beim Pietra-rasa Mauerwerk sind auch hier alle Mauerkanten mit Tuffquadern ausgebildet. Im Innern zeichnet sich ein flach geneigtes, Nord-Süd gerichtetes Satteldach ab, das vom Zinnenkranz überragt wurde. Das Dach selbst war, wie Negative im Mörtel an den Traufseiten zeigen, mit ca. 1cm dicken Holzschindeln gedeckt. Der Anschluss des Daches an die Umfassungsmauern wurde mit vorkragenden Platten aus rotem Tonschiefer («Melserplatten») vor Regenwasser geschützt. Es handelt sich nicht um ein Steinplattendach, wie bisher angenommen wurde.
An beiden Traufseiten finden sich quadratische Öffnungen, durch welche vermutlich das Regenwasser über Speier nach aussen abgeleitet wurde.
Der Zinnenabschluss war wohl mehr Statussymbol als wehrtechnisch bedingt: ein Wehrgang war nicht vorhanden und der Dachfirst überragte die Zinnenlücke sogar um einige cm. Hingegen bot der Mauermantel Schutz gegen Sturm und Wind, wie dies andernorts in zeitgenössischen Bauberichten ausdrücklich vermerkt wird: «dy maur am Haubsloss umb ain wenig höcher zu machen alain für dy Dächer, der windt last kains gantz» (Notiz auf einer Projektzeichnung von 1520 für das Schloss Tarasp).



In einer späteren Phase (IIIb) wurde das Satteldach durch ein Ost-West gerichtetes Taschendach ersetzt. Das Regenwasser floss nun über zwei ungleich nach innen geneigte Dachflächen in eine Mittelrinne, aus welcher es vielleicht in einen Sammelbehälter geleitet wurde. Im Unterschied zum älteren Satteldach wurden die Dach-Mauer-Anschlüsse diesmal nur mit einem Mörtelkragen abgedichtet, an deren Unterseiten sich ebenfalls Negative von dünnen Holzschindeln abzeichnen. Die Schindeln wiesen eine Stärke von 0.5–1 cm und eine Breite von 28–30 cm auf. Mindestens an der Nordseite, wo das Dach etwas höher hinaufreichte, waren die Zinnen nun geschlossen, denn der horizontale Mörtelkragen zieht hier über die Zinnen-Zumauerung. Dass die Nordzinnen nicht gleichzeitig mit den übrigen drei Seiten geschlossen wurden, zeigt sich auch im Unterschied des Mauermaterials, indem hier keine Hohlziegel als Füllmaterial verwendet wurden (das Dach hatte ja immer noch aus Schindeln bestanden!).

5. Walm- oder Satteldach über dem Zinnenkranz, Phase IV
Wohl im 14. Jahrhundert wurde auf den Zinnenkranz ein Dach aufgesetzt. Da an allen vier Turmecken Reste bzw. Negative von Traufpfetten-Eckverbindungen nachgewiesen werden konnten, scheint es sich um ein Walmdach gehandelt zu haben, von welchem sechs Sparrenpaare in die heute bestehende Konstruktion übernommen wurden. Sie weisen im oberen Drittel horizontale, leicht nach innen geneigte Einschnitte für ein Kehlgebälk auf, welches beim Einbau des jüngeren Stuhls entfernt werden musste. Das ältere Dach war demnach ein etwas steileres, pfettenloses Kehlbalkendach, wie wir es von zahlreichen Bauten des 13. und 14. Jahrhunderts kennen. Um 1472 wurde unter die alte Dachkonstruktion ein stehender Stuhl mit Pfetten- und Firstständer gestellt (die Bäume für diese Stützen wurden 1468/69 und 1471/72 gefällt).
Vermutlich erst in dieser Bauphase wurden die Zinnenlücken der West-, Süd- und Ostseite zugemauert.

6. Giebelmauern und Krüppelwalmdach, Phase V
Das Mauerwerk der beiden Giebelseiten besteht aus scharfkantigen Malmkalkbruchsteinen und ist identisch mit jenem der Palas-Erneuerung von 1506–10. Der Mauermörtel unterscheidet sich jedoch so deutlich, dass wir bei unseren Untersuchungen von 1969 eine Gleichzeitigkeit der beiden Bauteile ausgeschlossen hatten. Seit der Dendro-Untersuchung von 1998 wissen wir aber, dass die Eidgenossen nach der Übernahme des Schlosses 1483 zuerst an die Instandstellung des Turmes gingen. Sein Zustand dürfte besonders desolat gewesen sein, denn im Innern mussten sämtliche Balkenlagen fast vollständig erneuert werden. Begonnen wurde um 1491 mit der Reparatur des Daches (Schwellbalken über den Zinnen und einzelne Bundbalken), und mit dem Einzug neuer Balkenlagen dürften die Rohbauten 1505/06 ihren Abschluss gefunden haben. Erst danach wurde der Wiederaufbau des 1460 eingestürzten Palas (Baudaten 1506–1510) in Angriff genommen.
Formale Übereinstimmung mit dem Palas, Konstruktionsart und die Ergebnisse der Dendro-Untersuchung widerlegen die bisherige Datierung des Turmdaches in die Jahre 1607–08. Vermutlich blieben die Giebelmauern vorläufig unverputzt, bis das ganze Schloss – wohl 1608 unter Landvogt Martin Epp, von dem es heisst, er habe das «Schloss erneweren lassen» – einen weissen Verputz erhielt.

Mittwoch, 8. August 2007

Dienstag, 7. August 2007

Das Letzte zuerst:

Wie in der Einleitung erwähnt, habe ich mich zwischen 1964 und 2001 immer wieder mit dem Schloss Sargans beschäftigt. 1964 hatte ich Franziska Knoll-Heitz bei der Nachgrabung im Verlies geholfen und so meine ersten archäologischen Erfahrungen gemacht.

Dem Mauergeviert, das seit 1900 als Rest eines Vorgängerbaues angesehen wurde (Probst), galt 2005 eine erneute Untersuchung, weil ein Teil des Mauerwerks eingestürzt war. Im Auftrag der St. Galler Kantonsarchäologie hat Hermann Obrist von der IGA Zürich den Befund neu aufgenommen und studiert. Dabei konnte er feststellen, dass das dünne Südmäuerchen an die Turm-Südmauer angebaut ist. Dort, wo das Mauerwerk eingestürzt war, kam dahinter eine Mauerfront mit Fugenstrich-Verputz zum Vorschein. Fazit seiner Untersuchungen: Sie «haben gezeigt, dass das Mauergeviert im Zusammenhang mit dem Bau des Bergfrieds zu sehen ist; es könnte sich dabei um eine technische Installation handeln. Damit kann die These, dass das Geviert älter als der Turm sei, nicht länger aufrecht erhalten werden.»

Und wenn die Turm-Südmauer im unteren Bereich (unterhalb des Tuffquadermauerwerks) älter ist als der Turm, und die drei anderen Seiten von gleicher Stärke waren wie die Südmauer? Das ergibt einen Grundriss, dem wir z.B. auf der Habsburg, dem Müstairer «Eginoturm» und vielen anderen Bauten des 12. Jahrhunderts begegnen – und den wir schliesslich auch in den oberen Geschossen des Sarganser Bergfrieds wieder antreffen. So versteht man nämlich, weshalb die beiden dünnen Mäuerchen unter die Westmauer hinein ziehen. Die Mäuerchen sind so dünn, weil es sich um einen Einbau in einen grösseren Rechteckbau handelt. Wenn das Mauergeviert ein Einbau in einen grösseren Raum war, fragt man sich, weshalb nicht einfach ein Mauerwinkel hineingesetzt wurde. Wozu die Vormauerung im Süden? Weil man ein Auflager für ein Tonnengewölbe brauchte?


Die Breite der Nordmauer ist nicht bekannt; soweit sie erhalten ist, schliesst sie an den gewachsenen Fels an. War es ein Raum, in welchem mit offenem Feuer gearbeitet wurde (Küche, mit Ausguss/Fenster nach Süden?) oder ein sicheres, unfreundliches «Gästezimmer» mit schmalem Schartenfenster?


Für den neuen Turm wurden die Aussenmasse des Vorgängerbaues übernommen, jedoch die West- Nord- und Südseite in gut doppelter Stärke neu aufgebaut. Hier setzt das Tuffquadermauerwerk auch tiefer an als im Süden. Vermutlich sind Teile der alten Giebelmauern in das Tuffmauerwerk einbezogen. Die Südostecke aussen war 1969 auf eine Höhe von 3.60 m als Bruch- und Bollensteinmauerwerk sichtbar.

Ich halte «damit die These, dass das Geviert älter als der Turm sei», weiterhin aufrecht.